
Geschäftsmann befragt leuchtende Glaskugel nach der Zukunft. Bild von InfoWire.dk via flickr.com. Lizenz: Öffenliche Domäne
Weihnachten rückt näher, das Jahr geht langsam zu Ende, und wir vom Bitcoinblog.de begeben uns für einige Wochen in den Winterschlaf. Bevor wir uns aber ins weihnachtliche Off verbröseln, wollen wir euch noch kundtun, was wir für das kommende Jahr erwarten.
Zunächst solltet ihr wissen, dass auf solche Prognosen nur bedingt etwas zu geben ist. In der Regel kommt es nämlich anders, und wenn eine Prognose mal trifft, dann ist es eher Glück als Verstand. Die folgenden Prognosen sind daher eher als Orientierungspunkte zu verstehen, die einen Hinweise geben, worauf man die Aufmerksamkeit richten kann.
Insgesamt denke ich, dass das Jahr 2023 sehr viel stabiler sein wird als 2022, allerdings ohne dass der Kurs erheblich steigen wird. Das, was in den letzten Jahren im Markt entstanden ist, wird sich verfestigen und ausbreiten, doch es wird nur wenig echte Neuigkeiten und Durchbrüche geben. Allerdings könnte 2023 das Fundament legen, auf dem neue Innovation aufbauen – und damit letztlich auch ein neuer Aufschwung.
Es wird, anders gesagt, ein ziemlich langweiliges Jahr werden. Ganz wie es das von zuviel Aufregung geplagte Ökosystem braucht.
Das Jahr der Stablecoins
Im Jahr 2022 war es unübersehbar, dass Stablecoins wie USDT und USDC Bitcoin verdrängt haben. Nicht nur sind Stablecoins auf den Börsen die wichtigsten Handelspaare – sie gewinnen Raum beim grenzübergreifenden Bezahlen und beim Inflationsschutz außerhalb der USA. Dieser Erkenntnis beugen sich mittlerweile selbst die Lightning-Entwickler, wenn sie versuchen, Stablecoins in der einen oder anderen Form zu integrieren.
2023 könnte wichtige Weichen legen: Werden Stablecoins durch zentrale Mittelsmänner gedeckt, wie USDC und USDT – oder durch einen Smart Contract wie die DAI-Dollar? Werden sie transparent und zensierbar, wie derzeit üblich – oder werden sie durch Lightning-Transaktionen privat und un- oder kaum zensierbar? Werden die User die Schlüssel selbst halten können – oder wird es zentrale Verwahrer geben? Solche Fragen können entscheidend dafür werden, wie wir in Zukunft mit Geld umgehen. Und das Jahr 2023 könnte ein wesentlicher Teil der Antwort werden.
Travel Rule und Blacklists
Sowohl die Travel Rule als auch die Blacklists sind fester Teil des Ökosystems. Daran wird sich auch 2023 nichts ändern. Vielmehr wird die Travel Rule in immer weiteren Juristdiktionen ankommen. Insbesondere in der Europäischen Union werden viele User feststellen, dass ihre Krypto-Dienstleister unangenehm neugierig werden. Es wird schwieriger werden, Autonomie und Privatsphäre zu behaupten.
Parallel dazu werden auch die Blacklists immer weiter um sich greifen. Während herkömmliche Adressen längts in sie integriert sind, und, etwa bei zentralisierten Stablecoins, auch sehr gut zensiert werden können, wird sich zeigen, ob Smart Contracts wie Tornado Cash gegenüber Blacklists klein beigeben werden. Auch die Frage, ob es den Regulierern gelingt, die Miner oder Staker unter das Regime ihrer Blacklist zu stellen, könnte 2023 relevant werden. In jedem Fall wird das ewige Ringen zwischen Regulierung und Technologie in die nächste Runde gehen.
Security und Commodity
Ebenfalls regulatorisch ist die Frage, ob Kryptowährungen als Security (Wertpapier) oder Commodity (Rohstoff) zu behandeln sind. In den USA ringen darum derzeit die beiden Aufsichtsorgane SEC und CFTC. Während Bitcoin sehr wahrscheinlich als Commodity gilt und Ethereum vermutlich, drohen viele andere Kryptowährungen, als Security sehr viel strenger reguliert zu werden. Um diese Frage laufen bereits Gerichtsprozesse – etwas gegen Ripple – und von ihnen wird es im Jahr 2023 vermutlich noch weitere geben. Endgültig entschieden wird die Frage voraussichtlich nicht in diesem Jahr. Aber es werden wesentliche Grundlagen gelegt werden, die, wenn es schlecht läuft, viele Kryptowährungen und Token von den offiziellen Börsen werfen werden.
Weitere Katastrophen – oder Stabilität
2022 sind mit 3AC, Terra, Celsius und FTX wesentliche Glieder des hochspekulativen Teiles des Marktes abgefallen. Das tat weh, sollte aber als notwendigen Schritt zur Heilung verstanden sein. Doch war es das? Oder wird es noch mehr solche Schwarze oder Weiße Schwäne geben?
Wie in den Jahren zuvor schwebt ein ganzes Arsenal an Damoklesschwertern über der Szene: Wird Binance dasselbe Schicksal erleiden wie FTX, wenn die BNB-Token weit genug abwerten? Kippt die Digital Currency Group, weil sie zu tief in Shitcoins investiert ist – und mit ihr der Grayscale-Fonds? Werden die Tether-Dollar ihre Parität verlieren? Wird MicroStrategy pleite gehen, wenn der Kurs weiter fällt? Treibt Bitcoin El Salvador in den Staatsbankrott, weil internationale Finanzorgane notwendige Darlehen verweigern? Oder gibt es noch einen Kollaps, den wir ebenso wenig erwarten wie 3AC, Terra und FTX?
Ich persönlich tippe darauf, dass uns 2023 mit solchen Katastrophen verschonen wird. Ein Jahr ohne solche Krisen wäre gut und wichtig, da es dem Markt die Stabilität bringen können, die ihm 2022 fehlte.
Identität
Üblicherweise wartet jeder Marktzyklus mit neuen Innovationen auf. Im letzten waren dies vor allem DeFi und NFT, zwei Entwicklungen, die mehr als alles andere den Markt vorangetrieben haben. Beide leben fort und entwickeln sich weiter. Aber sie allein werden nicht in der Lage sein, eine weitere Welle zu tragen. Dafür wird es neue Innovationen brauchen. Ich vermute, dass diese 2023 ihren Anfang nehmen und erneut auf Ethereum aufbauen werden, auch wenn schwer zu prophezeien ist, worin sie bestehen.
Mein Tipp: Es wird um Identität gehen. Diese ist derzeit das fehlende Glied im Blockchain-Ökosystem. Wenn man Identität auf eine sinnvolle Weise und mit Rücksicht auf den Datenschutz auf eine Blockchain bringt, kann man DeFi-Börsen, Darlehen, DAOs , NFTs und auch das Blockchain-Gaming ganz anders organisieren. Auf diese Weise kann eine Onchain-Identität zum Verstärker von vielem werden, was es bereits gibt.
Soulbound-Token, wie Ethereum sie 2022 eingeführt hat, können die Grundlage dafür werden, dass sich die seit langem herbeigesehnte „dezentrale Identität“ im Internet durchsetzt, die nicht auf einer singulären Identität basiert, wie die staatsbürgerliche, sondern auf Bruchstücken und Splittern von Identitätsmerkmalen, die je nach Bedarf enthüllt werden. Dies könnten wir 2023 sehen.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Ökosystem eine Innovation hervorbringen wird, mit der wir nicht gerechnet haben werden.
Ethereum killt die Ethereum-Killer
Im Marktzyklus ab 2020 hat sich keine Klasse von Coins so sehr aufgebläht wie die Ethereum-Killer: Kryptowährungen, die dasselbe können wie Ethereum – nämlich Smart Contracts zu verarbeiten. Da die Gebühren auf Ethereum teilweise absurd hoch gestiegen sind, gab es einen realen Bedarf nach diesen Coins, was deren Preis in die Höhe geschraubt hat. 2023 ist die Situation aber eine andere: Auf der einen Seite ist der Bedarf nach Smart Contracts etwas gesunken, und auf der anderen ist Ethereum mit dem Merge und den Rollups auf dem Weg, den Bedarf selbst decken zu können. Schließlich haben sich mit Polygon und BNB zwei Kryptowährungen als Alternative zu Ethereum etabliert.
Für Kryptowährungen wie Solana, Polkadot, Cardano, Avalanche, Fantom und anderen bricht damit die Existenzberechtigung weg. Sie mögen technisch interessant sein und auch einen Use-Case haben – aber die Aussicht, dass der Markt 2023 noch eine Verwendung für sie hat, ist sehr gering. Noch zehren sie von den vielen Milliarden, die sich im Lauf der Blase auf ihren Marktwert gehäuft haben. Doch diese Milliarden werden 2023 abgebaut werden. Ein Crash dieser angeblicher Ethereum-Killer wirkt unvermeidbar – hat aber das Potenzial, auch gesunde Teile des Marktes anzustecken.
Der gefahrvolle Aufstieg von Monero
Eine der wenigen Kryptowährungen, die in den letzten Jahren einen „realen“, wenn auch nicht zwingend „legalen“ Usecase bedient hat, ist Monero. Die anonyme Kryptowährung hat Bitcoin zu weiten Teilen im Darknet verdrängt. In Sachen Privatsphäre kommt kaum ein Coin an Monero heran; alternative Lösungen mit ähnlicher Anonymität, etwa das Lightning-Netzwerk, Zcash oder Litecoin mit MimbleWimble, konnten im Darknet in keinster Weise Fuß fassen, während bei Monero langsam die Netzwerkeffekte wachsen. Daher spricht viel dafür, dass Monero auch 2023 seinen Aufstieg fortsetzt und möglicherweise beschleunigt. Für Investoren könnte der Coin attraktiv sein, wenn sie ihn sich nicht von Gewissensbissen verderben lassen. Allerdings läuft Monero auch das größte Risiko, von den Regulierern weltweit hart verboten zu werden.
Bitcoin als Digitales Gold
Bitcoin behält seine Rolle als digitales Gold. Solange der Kurs noch mit einer Tendenz nach unten schwankt, wird Bitcoin es aber schwer haben, neue Anhänger als solches zu gewinnen. Erst ein stabiler, in der Tendenz hochziehender Kurs wird neue Investoren an Bord bringen, seien es Banken, private oder institutionelle Anleger, Unternehmen wir MicroStrategy oder Städte wie Miami. 2023 hat hierfür ein gewisses Potenzial. Tendenziell spricht zwar mehr dagegen als dafür, aber wir sind offen, uns zu irren.
Bitcoin als Zahlungsmittel
In den vergangenen Jahren hat sich Bitcoin als Zahlungsmittel den Rang ablaufen lassen. Monero kommt im Darknet besser an, Stablecoins bei internationalen Transaktionen, und Ethereum oder Token auf Ethereum wenn es um Smart Contracts geht. Dies hinterlässt eine etwas ernüchternde Aussicht, ob Bitcoin im kommenden Jahr Aussichten hat, sich als Zahlungsmittel durchzusetzen. Denn die Voraussetzungen haben sich nicht geändert: Onchain skaliert Bitcoin weiter schlecht (und ist nach RBF weniger sicher bzw. langsamer), Lightning ist weiterhin wenig nutzerfreundlich, und die Volatilität schreckt weiterhin ab.
Möglicherweise aber wird Bitcoin als Brückenwährung Fuß fassen, die zwischen der einen und der anderen Fiatwährung steht, ohne dass die User davon etwas mitbekommen. Oder als Kollateral, das eine Stabilisierung der Wallet in Dollar deckt, wie bei Stablesats.
Die Zinspolitik der Zentralbanken
Eine der ernüchternden Tatsachen des Jahrs 2022 war, dass der Kurs von Bitcoin – und Kryptowährungen im Allgemeinen – ausgerechnet von den Zentralbanken abhängt. Erhöhen sie die Zinsen, fällt der Preis, gibt es Gerüchte, dass sie sie senken, steigt er. Diese Abhängigkeit wird auch 2023 fortbestehen, und dem Vernehmen nach wollen die Zentralbanken auch 2023 die Zinsen eher erhöhen. Das könnte einen möglichen Aufwind am Markt ausbremsen und den Druck auf die Kurse erhalten oder sogar verstärken. In jedem Fall wird die Zinspolitik der Zentralbanken ein Faktor sein, der mit Argusaugen zu beobachten ist.