
War schon mal mehr wert: Der höchste Banknote der Eurozone. Bild von Peter Linke via flickr.com. Lizenz: Öffentliche Domäne
Wo man auch hinschaut: Die Preise explodieren. Nahrungsmittel, Baustoffe, Elektrogeräte, Strom – alles wird teurer. Und zwar nicht nur ein bißchen. Wer Bitcoin benutzt, entzieht sich diesem vernichtenden Spiel – und treibt die dezentrale Währungsreform voran, die vielleicht nötig ist.
Ja. Bitcoin hat seine Schwächen, seine Fehler und seine Probleme. Die Kryptowährung verbraucht zuviel Strom, der Kurs ist zu volatil, und die Skalierung mit Lightning ist weiterhin Murks.
Bitcoin ist vielleicht nicht die perfekte Lösung. Aber die Kryptowährung bleibt die einzige echte Alternative zum Fiat-Geldsystem. Und niemals war eine solche Alternative nötiger als heute. Das zeigen einige Nachrichten der letzten Wochen.
Die Experten sind überrascht
Beginnen wir damit, dass das statistische Bundesamt eine aktuelle Inflation von zwei Prozent vermeldet. Damit erreicht die Teuerung (endlich) wieder jenen Stand, den die Europäische Zentralbank (EZB) als Ziel definiert hat. Doch geht es nach EZB und Bundesbank, wird die Inflation noch in diesem Jahr mit rund drei Prozent über diese Zielmarke hinausgehen.
Man weiß an der Stelle nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll.
So viele Experten – darunter auch die EZB – haben uns im vergangenen Jahr noch versichert, dass keine Inflation, sondern vielmehr eine Deflation zu befürchten sei. Wenn überhaupt, dann läge eine milde Inflation noch in weiter Ferne. Die triviale, instinktiv verständliche Gleichung, dass eine schrumpfende Wirtschaft und eine steigende Geldmenge zu höheren Preisen führe, taten die institutionellen Ökonomen als zu einfach ab.
Nun zeigt sich also, dass es doch eine Inflation gibt, und die Experten sind mal wieder überrascht. Aber noch bevor sie ihre Überraschung heruntergeschluckt haben, beruhigen sie schon mit neuen Prognosen. Dieses Mal werden sie bestimmt stimmen: Es werde nicht so schlimm werden, drei, maximal vier Prozent Teuerung, und das nur vorübergehend. Es handele sich um einen „Inflationsbuckel“, meint EZB-Präsident Mario Draghi. Der werde sich bald wieder ausgleichen.
Dürfen’s 50 Prozent sein? Oder doch eher 80?
Nun ist sie also da, die Inflation, von der die Experten behauptet haben, sie würde nicht eintreten. Die drei Prozent, die Bundesbank und EZB prognostizieren, sind aber eher tief gestapelt. Um genau zu sein: Man muss gründlich suchen, um sie zu finden. In sehr vielen Bereichen liegt die echte Inflation schon längst deutlich höher.
Großhändler berichten von „historischen Preisaufschlägen“ für Getreide, Mais und Ölsaaten. Der Preis von Sojabohnen stieg um 80 Prozent, der von Zucker um 77 Prozent. Mais wurde 44 Prozent teurer, Weizen 22. Aber nicht nur Lebensmittel treiben die Preise im Supermarkt: Verpackungsmaterialien wie Plastik und Papier wurden „im hohen zweistelligen Bereich“ teurer. PET-Plastik etwa um 75 Prozent.
Ebenso fürchterlich sieht es bei Baumaterialien aus: Der Kupferpreis hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Nickel, Blei, Aluminium und Palladium stiegen innerhalb eines einzigen Monats um 10 Prozent. Die ersten Großhändler geben die Preise weiter: Der ZEG Zentraleinkauf Holz + Kunststoff verlangt für Bauteile im Fenster- und Türenbereich etwa fünf Prozent mehr und behält sich explizit weitere Preiserhöhungen vor.
Baubetriebe kämpfen mit Aufschlägen von 10 Prozent für Holz und Bitumen und beinah 30 Prozent für Betonstahl. Und das sind nur die offiziellen Werte. Nach Berichten von Zimmerleuten sind Kostenerhöhungen fürs Material um 50 Prozent nicht selten, zum Teil bei Holz auch 150 Prozent.
Solche Preissteigerungen beginnen, zum Verbraucher durchzusickern: In Hamburg klagt der soziale Wohnungsbau beispielsweise darüber, dass die massiv steigenden Preise für Baumaterialien und Grundstücke den Zeitplan gefährde, günstigen Wohnraum zu schaffen. Und in Rudelzhausen steigen die Kosten für die Sanierung des Freibads um rund 7 Prozent. Das sind nur Beispiele für eine kaum mehr zu vermeidende Entwicklung.
In Karlsruhe treibt die Stadt derweil selbst die Inflation an, wenn die öffentlichen Verkehrsbetriebe die Ticketpreise um knapp 4 Prozent erhöhen. Aber auch die Fahrt mit dem eigenen Elektroauto wird teurer, zumindest in Baden-Württemberg, wo EnBW die Preise an den Ladesäulen um 7,7 Cent je Kilowattstunde erhöht. Je nach Grundpreis – der zwischen vorher 39 und 79 Cent schwankte – entspricht das bis zu 20 Prozent. Noch teurer wird es für diejenigen, die sich ein Auto leihen. Laut Vergleichsportalen haben sich die Kosten für Mietwägen in einigen Ländern Europas, etwa Spanien, Italien oder Griechenland, verdoppelt. In Deutschland sind sie nur um 20 Prozent gestiegen.
Auch das Argument, Elektronisches sei deflationär, gilt nicht mehr. Laut einer Untersuchung von Testberichte.de sind die Preise von Webcams, Druckern, PCs, Grafikkarten, Küchengeräten und so gut wie allen Elektrogeräten im vergangenen Jahr um 20-100 Prozent gestiegen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie von mydealz.
Bliebe es doch nur bei drei Prozent
Lasst uns grob zusammenfassen:
Grundnahrungsmittel: 20-80 Prozent.
Baustoffe: 10-100 Prozent.
Bauteile: 5-20 Prozent.
Strom: 20 Prozent.
Elektrotechnik: 10-100 Prozent.
Öffentlicher Nahverkehr: 5 Prozent.
Verpackungsmaterialien: 30-80 Prozent.
Mietwägen: 20-100 Prozent.
Drei Prozent klingen plötzlich ziemlich stabil, oder? Vielleicht geben Supermärkte und Vermieter die Preise nicht sofort und nicht in vollem Umfang weiter. Aber wenn die Aufschläge auf Grundnahrungsmittel und Verpackungsmaterialien weiterhin bestehen, wird der Einkauf bald erheblich teurer werden. Und wenn Baumaterialien weiterhin so teuer bleiben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Mietpreise steigen (oder die Häuser verlottern).
Das ist die eine Seite der Problematik – die der Konsumgüter. Es ist verheerend, wenn diese flächendeckend teurer werden. Wenn die Gehälter nicht entsprechend mitsteigen – und das können sie in einer wie derzeit schrumpfenden Wirtschaft nicht – bedeutet es effektiv mehr Armut für eine breite Masse an Menschen.
Der Angriff auf den Mittelstand
Ebenso stark steigen allerdings auch die Vermögenspreise an, etwa für Aktien oder Immobilien. Und das ist vielleicht ein noch größeres Problem als die anziehenden Konsumgüter.
Die WELT fürchtet schon, dass dies den Vermögensaufbau für die Mittelschicht beinah unmöglich macht. Wer noch kein Vermögen hat und nicht sehr gut verdient, hat kaum eine Chance, sich jemals eines aufzubauen. Aktien auf einem Allzeithoch, Immobilienpreise jeneits von Gut und Böse.
Stattdessen findet, so die WELT in einem weiteren Artikel, „eine historische Selbstenteignung der deutschen Sparer“ statt: Sie legen mehr Geld zurück als je zuvor – doch die Inflation frisst es auf.
An sich ist Inflation, wie „progressive“ Ökonomen gerne betonen, nichts schlimmes. Wenn die Preise steigen und Wirtschaftswachstum, Lohnsteigerungen und Zinsen für Sparbücher Schritt halten, kann dies für eine Volkswirtschaft sogar sehr fruchtbar sein.
Doch was wir gerade haben, ist eine Perversion dieses Ideals: Die Teuerung ist sehr viel höher als damals, doch die Wirtschaft schrumpft. Starke Gewerkschaften können eventuell Lohnsteigerungen rausschlagen, aber das wäre dann eher ein egoistisches Rattenrennen mit perversen, toxischen Anreizen: Es reicht nicht für Lohnsteigerungen für alle, und wenn die einen mehr verdienen, werden die anderen das über kurz oder lang ausbaden müssen.
Und, vielleicht am schlimmsten: Die Zinsen auf der Bank gleichen nicht nur die Inflation nicht aus – sie wenden sich derzeit sogar ins Negative. Während die Preise steigen, wächst das Geld auf dem Konto nicht – es schrumpft.
Die aktuelle Situation mit dem Geld zerstört den Mittelstand.
Corona und Corona und Corona
Woran liegt all das? Geht es nach Vertretern der Modern Monetary Theory, an allem, nur nicht am Geld. Nein nein, die Geldmenge hat nichts mit den Preisen zu tun, so denken nur ignorante Bitcoiner. Zumindest predigt dies Maurice Höfgen in einer wahren Lawine von Scheinargumenten auf Youtube.
Es kann an Corona liegen. Während Deutschland im Dauerlockdown darbt und die Wirtschaft hier, zur Überraschung aller, weiter schrumpft, zieht sie in China und den USA wieder an. Daher kauft man uns von dort aus Holz, Metall, Papier, Plastik, Soja und Mikrochips weg.
Es kann auch generell daran liegen, dass es in China nun eine konsumhungrige Mittelklasse gibt. Und dann gibt da noch die schlechten Ernten, etwa in Brasilien, oder Containerschiffe, die im Suezkanal steckenbleiben.
Schließlich wäre da der Trend zum „Cocooning“ während des Lockdowns: Die Leute ziehen sich in ihr Zuhause zurück. Sie lassen ihr Bad renovieren, kaufen Küchengeräte, Grafikkarten, Monitore, Webcams, Sportgeräte.
Wir haben also eine Reihe von irgendwie möglichen Faktoren, die allesamt plausibel, aber auch fragwürdig sind: Steigt China nicht schon seit 20 Jahren auf? Gibt es nicht immer wieder schlechte Ernten, zum Beispiel im extrem heißen und dürren Sommer vor zwei Jahren? Und sollte der Markt nicht in der Lage sein, sich auf die Lockdown-inspirierten Konsumtrends einzuspielen?
Keiner der Faktoren ist neu. Nicht einmal die Ballung der Faktoren ist es. Warum also schlägt die Inflation gerade jetzt zu – und warum in dieser beispiellosen Heftigkeit?
Geldpolitik aus der Hölle
Natürlich geschehen Preissteigerungen nicht aus einem einzelnen Grund. Die steckengebliebene Evergiven, eine Missernte, das Home Office, Chinas konsumfreudiger Mittelstand – das dürften alles Faktoren sein. Aber sie allein reichen nicht aus, zu erklären, was derzeit passiert.
Ein wichtiger Grund ist die Geldpolitik. Die expansive Geldpolitik der EZB erhöht seit Einführung des Euro kontinuierlich die Geldmenge der Eurozone. Im Vergleich zum Jahr 2000 hat sich die Geldmenge etwa verdreifacht, seit 2008 stieg sie um rund 50 Prozent. So etwas geht, wie gesagt, gut, wenn die Wirtschaft im entsprechenden Tempo mitwächst und Löhne und Zinsen mithalten können. Dies geschah aber nicht.
Dennoch ging es lange gut. Die Sphäre der Vermögenswerte hat das neue Geld geschluckt und dadurch verhindert, dass die Inflation bei den Konsumgütern ankam. Daher war im Supermarkts kaum etwas von der Geldschwemme zu spüren. Der hohe Preis dafür war aber eine Verschärfung der Ungleichheit, die jetzt einen Grad erreicht hat, der der Mittelschicht die Möglichkeit raubt, zu tun, was die Mittelschicht eigentlich auszeichnet: ein (bescheidenes) Vermögen aufzubauen.
Es scheint in dieser Situation nur einige Stubser gebraucht zu haben – eine Seuche, ein verstopfter Suez-Kanal, einige Missernten – um den Propfen zu öffnen, der die Inflation vom Konsumgütermarkt getrennt hat. Plötzlich werden nicht nur Aktien und Immobilien teurer, sondern auch Baustoffe, Verpackungsmaterialien und Lebensmittelrohstoffe explodieren. Es dürfte nun kaum mehr zu verhindern sein, dass diese Teuerung auch in den Supermarkt und die Miete hinabsickert.
Die dezentrale Währungsreform
Was kann man machen? Eigentlich nur eines: Man muss diesem System sein Geld entziehen. Vielleicht beschleunigt es den Niedergang des Euro, wenn ihn mehr und mehr Menschen verlassen. Aber was bringt es, mit dem Schiff zu sinken?
Man kann sein Erspartes in Aktien legen, in Gold, in Immobilien, in Vorräte. Oder eben auch in Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Diese versprechen nicht nur, langfristig Werte besser zu erhalten – sondern auch, ein neues Geldsystem zu bilden, das ohne Inflation auskommt.
Bitcoin ist nicht perfekt, und ein vollständiger Wechsel von Euro zu Bitcoin ist derzeit weder denk- noch machbar. Aber mit jedem Schritt zu Bitcoin treibt man eine dezentrale Währungsreform voran – und entzieht sein Vermögen einem Spiel, das man nur verlieren kann.