Argentinien nähert sich, mal wieder, einer Hyperinflation. Der Peso kollabiert, und ein IWF-Darlehen verhindert den Staatsbankrott – zum Preis unbeliebter Reformen, die auch Kryptowährungen treffen. Doch in Zukunft könnte das Land den Peso abschaffen und durch eine andere Währung ersetzen. Dollar, Yuan – oder Bitcoin?
Argentinien scheint sich, einmal mehr, dem Ende einer währungspolitischen Sackgasse zu nähern. Der Peso bricht, mal wieder, zusammen. Das alles kam schon mal vor, neu ist jedoch der Kontext, in dem es stattfindet – mitten in der Krypto-Revolution, am Anfang der De-Dollarisierung.
Der unschöne Status Quo ist, dass die Inflation in Argentinien gute 100 Prozent im Jahr erreicht hat, je nach Quelle 98 bis 150 Prozent. Die Kaufkraft des Peso gegen den Dollar hat sich halbiert, und vor allem Lebensmittel werden, dank einer heftigen Dürre, rasant teurer.
Die Zentralbank scheint dabei vor allem eines zu sein – hilflos. Ihr sind offenbar die Dollar-Einlagen ausgegangen, so dass sie sich bei den Kundeneinlagen von Banken bedienen musste, um Zahlungen für Ex- und Importe auszugleichen. Doch auch dies war nur ein kurzer Fix. Am Wochenenden hat sie den Banken des Landes geboten, den Kauf und Verkauf von Dollar auszusetzen. Importe und Exporte können nicht mehr in Dollar bezahlt werden. Das Land ist offiziell im monetären Ausnahmezustand.
The liquid reserves of the Argentina 🇦🇷 Central Bank are -$5.13 billion USD (NEGATIVE). This means part of consumers’ USD bank deposits have already been used and the only way to reverse it is to sell almost ALL of the BCRA’s gold position. Gonna be a rocky ride this year. pic.twitter.com/dua676RhVU
— BowTiedMara (@BowTiedMara) March 27, 2023
Manche Medien haben die aktuelle Krise mit den laufenden Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Verbindung gebracht. Der IWF hält das Land mit Darlehen liquide, verlangt dafür aber fiskalische und monetäre Reformen, die in Bevölkerung und Politik oft unbeliebt sind.
Der neue alte Deal mit dem IWF
Ende März hat nun der Senat einem Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zugestimmt. Dabei geht es um die Refinanzierung eines 45-Milliarden-Dollar-Darlehens, dessen Rückzahlung nun weiter verzögert wird. Im Gegenzug haben Wirtschaftsminister Martin Guzman und Zentralbanks-Präsident Miguel Pesce in einer Absichtserklärung Reformen versprochen.
Möglicherweise hat der Druck der steigenden Inflation und des drohenden Staatsbankrotts die Regierung dazu gebracht, auch kontroversen Maßnahmen zuzustimmen. Unter diesen findet sich auch eine kurze Bemerkung zu Kryptowährungen:
Um die “finanzielle Resilienz zu stärken” werde man “wichtige Schritte” gehen um “der Nutzung von Kryptowährungen entgegenzuwirken, mit dem Ziel, Geldwäsche, Informalität und Desintermediation zu verhindern”. Zugleich werde man den Prozess beschleunigen, das bestehende Zahlungssystem zu digitalisieren und den Verbraucherschutz stärken.
Die Anmerkung ist kurz, vermutlich zu kurz, um, wie manche Krypto-Medien, zu behaupten, der IWF habe Argentinien eine “Anti-Krypto-Politik” als Bedingung für ein Darlehen aufgezwungen. Das wäre möglich, wenn man das Gebaren der Institution gegenüber anderen Ländern betrachtet, etwa El Salvador, aber dennoch weit hergeholt.
Noch hat lediglich Argentinien dem Kreditvertrag zugestimmt, die Bestätigung durch den Rat des IWF steht noch aus, ist aber bald zu erwarten.
Dollar, Yuan oder Bitcoin?
Doch wie soll es weitergehen? Man kann Schulden kurzzeitig mit noch mehr Schulden überdecken, doch langfristig wird das Loch dabei nur tiefer. Wie kann Argentinien seine Krise des Geldes dauerhaft lösen?
Die naheliegendste Variante wäre die Dollarisierung. Da die Argentinier mehr als einmal auf die harte Tour gelernt haben, dass sie dem Peso und ihrer Zentralbank nicht vertrauen können, bepreisen sie alles, was als Wertspeicher dienen kann – Autos, Immobilien, Gold, Fremdwärhungen – in Dollar. Die Schwarzmarktpreise des Dollars sind so wichtig, dass sie jeden Tag auf der Titelseite der Zeitungen stehen. Mental wäre der Schritt zu einer kompletten Dollarwirtschaft, wie etwa in El Salvador, einfach – das Land ist bereits angekommen.
In Dollar nominierte Stablecoins können dabei eine spannende Funktion übernehmen: Sie können dem Land helfen, elektronische Dollar-Transaktionen abzuwickeln, ohne sich von Dollar-Banken abhängig zu machen. Im Prinzip könnte Argentinien sogar den ersten Stablecoin-Standard der Welt einführen, und im Prinzip passiert das bereits: Bereits heute werden Stablecoins in Argentinien massenweise gekauft, um sich vor der Inflation zu schützen; die Provinz Mendoza hat 2022 den Bürgern erlaubt, Steuern in DAI und USDT zu bezahlen, während die Provinz San Luis ankündigte, einen eigenen, in Dollar nominierten Stablecoin herauszugeben. Nicht mal die Regierung selbst möchte den Peso haben, und dass Stablecoins es erlauben, auch außerhalb der USA Dollar zu schöpfen, könnte zum wichtigsten monetären Ereignis des 21. Jahrhunderts werden.
Mit dem libertären Präsidentschaftskandidat Javier Milei hat der Austausch des Peso gegen den Dollar einen politischen Vertreter. In diesem Jahr sind Präsidentschaftswahlen, und so, wie es derzeit mit dem Peso aussieht, könnte die Währungspolitik eine gewaltige Rolle im Wahlkampf spielen.
Bitcoin ist dabei zwar irgendwie im Gespräch, es fehlt jedoch an einer brauchbaren Infrastruktur – die Ökonomie von Argentinien läuft zu weiten Teile durch Papiergeld – und auch an politischem Personal, das daran, wie in El Salvador, Interesse hat. Auch die Bevölkerung hat sich offenbar längst für den Dollar – für Stablecoins – entschieden. Daher dürfte Bitcoin wenig Aussichten haben, eine monetär wichtige Rolle zu spielen, eventuell als Wertspeicher, und eventuell, weiter gedacht, als Bindeglied zu jenen Ländern, die den Dollar ablehnen.
Damit wären wir bei der dritte Variante – dem Yuan. Wie schon mehrfach berichtet treibt Beijing die De-Dollarisierung der Weltökonomie voran und hofft, den Dollar sukzessive durch den Yuan zu ersetzen, eventuell auch den digitalen Yuan, womit ein wahrer CBDC-Albtraum über den Ozean fegen würde.
Argentinien wäre ein naheliegender Verbündeter der chinesisch-russischen Front gegen den Dollar: Das Land arbeitet eng mit Brasilien zusammen, das vor kurzem näher an China gerückt ist und dessen Präsident Lula kürzlich in Frage stellte, Exporte und Importe mit Dollar zu bezahlen. Auch zeigt Argentinien Interesse, den BRICS-Staaten beizutreten, die ja vorhaben, mit einer neuen Währung die Dominanz des Dollars im internationalen Handel zu brechen.
Doch noch gibt es keine wirklichen Hinweise darauf, dass China einspringt oder auch nur Hilfe anbietet. Für die Menschen in Argentinien ist nicht der Yuan, sondern der Dollar die Weltwährung – das Maß aller Dinge – und die Zentralbank tritt ganz traditionell mit dem IWF in Verhandlungen, nicht mit China oder der Entwicklungsbank der BRICS. Bisher scheint die De-Dollarisierung vor allen ein Wunschdenken der beiden führenden Tyranneien dieser Welt zu sein. Doch dies kann sich, Stück für Stück, mit jeder Krise der etablierten Währungen ändern.